Eine kleine Geschichte des ZHB e.V.
(ein persönlicher Bericht)
Es war einmal in Erlangen ein Zahnmedizinstudent, der sich im Herbst 1988 nach all den Examensfeierlichkeiten auf den Weg machte nach Recife, der Hauptstadt Pernambucos im Nordosten Brasiliens. Eine persönliche Beziehung, der Wille, bedürftigen Menschen helfen zu wollen und eine gehörige Portion Abenteuerlust waren der Anlaß. Er war nicht nur willkommen, er wurde sogar sehnsüchtig erwartet im Internat Sao Joaquim von den ca. 140 Jungs mitten im Zuckerrohr, dem weißen Gold Brasiliens. Stolz zeigte die Direktorin ihm den Raum, der für die Praxis vorgesehen war: ein Handwerker war gerade dabei, an der Wand unter dem einzigen Fenster ein neues Waschbecken zu installieren. Außer einer Glühbirne, die in der Mitte von der Decke hing, gab es sonst noch nichts in diesem Raum!
Da war die Enttäuschung groß, hatte der junge Zahnarzt doch eigentlich eine fertige Praxis erwartet. Was half’s, die ersten Schmerzpatienten warteten schon; also die Ärmel hochgekrempelt, die Urlaubskasse geplündert, die Verwandtschaft in Deutschland angebettelt, den Boden gefliest, eine brasilianische Einheit gekauft und dann kamen sogar noch die 80 Kg Spendenmaterial aus Deutschland an, die er während seinem Examen gesammelt hatte. So entstand eine kleine Praxis, in der sehr effektiv gearbeitet werden konnte.
Nach 6 Monaten Behandlung war der Abschied schwer, doch unser Zahnmediziner wollte auch noch dieses riesige Land etwas kennenlernen und reiste ein Vierteljahr meist per Bus oder Schiff kreuz und quer durch Brasilien. All diese Eindrücke und Erfahrungen wollte er nicht für sich behalten: Glücklicherweise konnte er im Herbst 1989 auf der Bundesfachschaftstagung den Studierenden der Zahnheilkunde mit vielen Dias davon berichten. Und kurz danach meldete sich eine Berliner Studentin, die eben genau dieses nachahmen wollte. Auch sie blieb ein halbes Jahr in Brasilien und wieder fragten Zahnmedizinstudenten nach der Kontaktadresse in Recife. Dieser Einsatz wurde schon damals vom Deutschen Akademischen Austauschdienst als Famulaturstelle anerkannt und mit einem Fahrtkostenzuschuß gefördert.
Der junge Zahnarzt gab gerne Auskunft und Hilfestellung hierzu und plötzlich waren 1994 vier Behandler gleichzeitig in Recife angekommen. Da entschied die Trägerorganisation des Internats Sao Joaquim, die Santa Casa de Misericordia do Recife, kurzerhand 2 von ihnen anderweitig einzusetzen. So landeten diese beiden in Santa Tereza, Olinda, nördlich von Recife. Schon im Jahr darauf behandelten deutsche Zahnmediziner auch noch in zwei weiteren Einrichtungen der Santa Casa de Misericordia do Recife.
Die Santa Casa hat in Recife und Umgebung mehrere Einrichtungen, in denen Straßenkinder zur Schule gehen, Essen ausgeteilt bekommen, Hygiene lernen, evtl. sogar eine Ausbildung erhalten können und nun sogar noch zahnmedinisch versorgt werden. Dazu muß man wissen, dass die Kinder und deren Familien aus den Favelas, den Slumgebieten der brasilianischen Städte kommen und sie dort keinerlei ärztliche geschweige denn eine zahnärztliche Versorgung haben - sich diese auch gar nicht leisten könnten.
Um eine solche zahnmedizinische Versorgung zu ermöglichen, lädt die Santa Casa de Misericordia do Recife die deutschen Behandler ein, in ihren Einrichtungen ohne Verdienst zu behandeln. Dafür erhalten sie kostenlose Unterkunft und Verpflegung, das benötigte Material und Instrumentarium wird hier in Deutschland durch Spenden rekrutiert.
Die aus Brasilien zurückkamen waren alle gleichermaßen begeistert und wollten unbedingt weiterhin helfen. So trafen sich 1996 einige dieser Rückkehrer in Würzburg und gründeten einen gemeinnützigen Verein, das Zahnärztliche Hilfsprojekt Brasilien e.V.. Kurz darauf sicherte uns die Bayerische Landeszahnärztekammer Unterstützung zu, z.B. indem wir in München eine Mitarbeiterin der Landeszahnärztekammer als Vereinssekretärin gestellt bekamen und wir ebenfalls im Zahnärztehaus Lagermöglichkeiten für unsere Spendenmaterialien haben. Seitdem waren wir auch regelmäßig auf dem Bayerischen Zahnärztetag bzw. der ID Süd, einer bayerischen Dentalmesse jahrelang in München mit einem eigenen Vereinsstand anwesend. Dann ging uns dieser Stand leider bei der Deutschen Post verloren und so entschlossen wir uns, auch wegen der immer weniger werdenden Resonanz bei diesen Veranstaltungen, diese Präsenz einzustellen. Seitdem sind wir vorallem durch unsere Homepage und mittels der Mund-zu-Mund-Propaganda der dort Gewesenen erreichbar bzw. bekannt.
Immer mehr Zahnärzte/Zahnärztinnen und Studierende der Zahnheilkunde erfahren so von diesem besonderen Projekt, von dieser außergewöhnlichen Möglichkeit in Pernambuco zahnärztlich helfen zu können. Dabei arbeiten die Behandler, die alle aus den höheren klinischen Semestern sind oder gerade ihr Staatsexamen abgelegt haben, in einem hohen Maße selbstverantwortlich, sind überwiegend konservierend und chirurgisch tätig und werden von brasilianischen Kolleg(inn)en vor Ort betreut. Mittlerweile schicken wir aufgrund einer Vereinbarung mit der pernambucanischen Zahnärztekammer nur noch frisch approbierte Kolleginnen und Kollegen, wodurch aber die praktische Unterstützung ungebrochen kontinuierlich fortgesetzt werden kann und wird.
Wir sehen längst schon erste deutliche Erfolge bei den Straßenkindern: Zahnhygiene ist für viele fast eine Selbstverständlichkeit geworden und die Verbesserung der Zahngesundheit ist bei vielen der kleinen Patienten deutlich sichtbar. Trotzdem bleibt unendlich viel zu tun. In Recife hat sich unser Engegament ebenfalls herumgesprochen, immer wieder erhalten wir Anfragen, weitere Einrichtungen zahnärztlich zu betreuen. Mittlerweile arbeiten wir in und um Recife mit 7 Stationen, in denen nahezu das gesamte Jahr hindurch behandelt wird.
Um noch umfangreicher in Brasilien helfen zu können, haben wir mittlerweile zwei weitere Initiativen ins Leben gerufen, die noch separat vorgestellt werden: Unsere Altgold-Sammelaktion und die Vermittlung von Patenschaften für unsere Straßenkinder. Dadurch konnten wir gerade nach der besonders schlimmen Regenzeit des Jahres 2000 unseren brasilianischen Partner beistehen und z. Bsp. entstandene Schäden an Gebäuden sofort beheben helfen.
Nun bleibt mir nur, nochmals allen Unterstützern unseres Projektes ein herzliches Obrigado zu sagen. Insbesondere sei neben der Bayerischen Landeszahnärztekammer, der Dentalindustrie und allen privaten Geldgebern all derer gedacht, die keine Zeit und Kosten (Flug) scheuen, um in Brasilien zu helfen, die ihre Freizeit nach bestandenem Examen dafür hergeben, sich mühen, Portugiesisch zu lernen (ohne diese Sprache ist es unmöglich, sich im Nordosten Brasiliens zu verständigen) und ohne die unser Projekt noch lange nicht auf so stabilen Füßen stehen würde. Allen ein „muito muito obrigado“ !!!